Warum wird eigentlich so viel geworben?

Der Mere Exposure Effekt in a Nutshell.

Gabriel Wöginger

Piccadilly Circus in London, Oktober 2021, © GW

Als ich frisch aus dem Digitalstudium in das Berufsleben als Performance Marketing Manager eintauchte, waren meine ersten Berührungspunkte mit Werbung sehr steril. Anreißende Texte für Google Anzeigen zu schreiben, online zu stellen und und abwarten, bis genügend Klicks und Daten verfügbar sind, gehörte zum Tagesablauf.

Kampagne 1 konvertiert, Kampagne 2 nicht. Fazit: Kampagne 2 wird abgedreht. Jeder Handlungsschritt ist rational nachvollziehbar. Daten lügen nicht und damit hat sich’s auch. Alles wird getrackt und das Benutzerverhalten entscheidet.

Die Blackbox OoH-Werbung

Mit dieser Erfahrung im Hinterkopf fiel es mir anfangs schwer, mich mit hohen Budgets für Außenwerbung anzufreunden. Dabei beschäftigte mich vor allem die Frage, wie man die Effektivität einer Kampagne so ganz ohne Nutzerdaten messen kann.

Warum werden Werbeflächen über ganze Städte ausgerollt, Straßenbahnen zugeklebt, ganze Kirchen behängt oder Anzeigen in Magazinen gebucht?

Bis zu einem gewissen Grad ist es bekannt, wie viele Menschen sich täglich vom Flughafen Wien in die Innenstadt bewegen und die Omega-Werbung neben der Autobahn aufleuchten sehen. Oder wie hoch die durchschnittliche Leserzahl eines Boulevard-Blattes ist, um den Anzeigenpreis für den Werbenden vertretbarer argumentieren zu können.

Was danach in dieser Customer Journey passiert, bleibt im Dunkeln. Keine Klicks, keine Kaufabschlüsse, die direkt auf ein Werbemittel zurückzuführen sind.

Die Macht des Unbewussten

Eine treibende Kraft für die Wirksamkeit von Werbung ist der sogenannte “Mere Exposure Effekt”. Übersetzt ins Deutsche: “Reine Aussetzung”. Dieser besagt im Wesentlichen: Wenn Menschen einer bestimmten Werbung mehrmals ausgesetzt sind, greifen sie in einer Entscheidungssituation eher zu jenem Produkt, das sie davor in der Werbung gesehen haben.

Davon kann man ableiten, dass der Mensch eine Art Vertrauen gegenüber Dingen entwickelt, mit denen er ständig in Berührung kommt. Und genau dieses Vertrauen ist es, das uns im letzten Schritt des Kaufprozesses – bei der Kaufentscheidung – in die “richtige” Richtung führt.

Der Twist dieser Geschichte ist, dass sich dieser Effekt meist im Unterbewusstsein abspielt. Empirische Studien zeigen sogar, dass sich Proband*innen tendenziell nicht an die eigentliche Marke des Produktes erinnern können – sogar dann nicht wenn sie sich für ein Produkt entschieden haben, das zuvor im Test beworben wurde. Konkret bedeutet das: Die Proband*innen waren der Meinung, sie hätten eine intuitive Entscheidung getroffen.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Methoden der Offline-Werbung vielfach erprobt sind, obwohl kaum Messwerte in Echtzeit vorhanden sind.

Große Marken wissen seit Jahrzehnten, welches Werbemittel wo eingesetzt werden muss, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Auch wenn der Kaufabschluss der Omega-Uhr am Graben nicht direkt dem Banner auf der Fahrt in die Stadt angerechnet werden kann, spielte er im komplexen Kaufprozess eine wichtige Rolle.

Keine Werbung ist umsonst. Kein Flyer, kein Banner kommt an uns vorbei. Vielleicht dem Bewusstsein, aber nicht dem Unterbewusstsein. Werbung wirkt immer – egal ob online oder offline. Eine positive Bilanz für alle Akteure im Werbegeschäft.

Eines kann ich jetzt schon garantieren: Wem der Mere Exposure Effekt bis dato noch nicht bekannt war, wird nach dem Lesen dieses Beitrages keine Werbung mehr so aufnehmen wie zuvor.

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